Sonntag, 30. März 2008

Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 8

Nach dieser Aktion habe ich den Baum im Frühjahr 2006 noch einmal umgetopft. Er kam in eine kleinere Schale und stand dann erst einmal noch eine Weile in meinem Garten.

Aus dem Kopf ging er mir aber nicht.

Da fiel mir wieder ein Gespräch ein, dass ich mit Michael Tigges auf der langen Autofahrt zur Sakka-Ten 2004 geführt hatte. Da haben wir darüber gesprochen, wie es wohl aufgenommen würde, wenn man an einem Baum einmal einen Jin- oder auch Sharibereich nicht aus Holz gestalten würde, sondern man nähme dazu geschliffenes Metall. Das würde man in den Baum richtig einbauen, sodass alles natürlich verwachsen erscheinen würde. Wäre das Kunst? Das Gespräch ging auch soweit, dass wir feststellten, dass es viele Menschen ja auch als sehr hilfreich empfinden, wenn kaputte Gelenke durch Titanimplantate ersetzt würden. So etwas gibt es ja teilweise sogar für Tiere. Wenn man nun einen Baum hat, der alleine nicht mehr stehen kann, warum sollte er nicht solch ein Implantat erhalten?

Was soll ich sagen? Im Frühjahr nach dem Umtopfen ist die kleine Forsythie zu Michael Tigges umgezogen. Dort hat sie bis ins Frühjahr 2008 gestanden und der Michael hat etwas unglaubliches damit gemacht.

Der Baum ist nun wieder bei mir und ich mache nun die restlichen Arbeiten. Wie er jetzt aussieht und was aus ihm geworden ist, dass hat es wohl bei Bonsai noch nie gegeben. Zeigen werde ich das noch nicht, erst einmal muss alles perfekt sein. Wir arbeiten auch noch an einem geeigneten Display für Ausstellungen (wenn man uns damit überhaupt in eine Ausstellung lässt).
Für das Clubheft des BCD bereite ich gerade ein sehr ausführliches Baumportrait über die Forsythie vor. In einem weiteren Artikel wird dann diese Forsythie in ihrer neuen Form zu sehen sein. Der Baum begleitet mich nun schon seit 22 Jahren. Es ist also zu vermuten, dass seine Geschichte noch lange weiter erzählt werden kann.


Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 7

Auf dieser Aufnahme ist gut zu erkennen, wie dünn der Stammansatz werden würde, wenn alles tote Holz entfernt wäre.

Der ganze untere Stammbereich des Baumes ist ausgefräst. Die lebende Saftbahn war stellenweise nur noch 5mm dick. Zumindest war das Restholz an diesen Stellen noch gesund und stabil.

Zu dieser Zeit dachte ich noch, dass ich so eine Art Tanuki aus dem Baum machen könnte, Das soll heissen, dass ich vorhatte einen neuen Stammbereich mit Totholz einer Eibe zu gestalten. Das hätte ich dann in den Baum eingepasst und die Geschichte wäre so weiter gegangen. Aber richtig entschliessen konnte ich mich doch nicht dazu. Deshalb wurde der Baum an ein Essstäbchen angebunden und stand erst einmal wieder ein halbes Jahr indem ich mir viele Gedanken machte wie es weitergehen sollte.

Im Herbst 2005 hatte ich den Entschluss gefasst, dass Totholz bis hinauf in die Spitze des Baumes zu entfernen. Zwar war mir immer noch keine endgültiger Lösung des Problemes eingefallen, aber Stückwerk wollte ich nicht mehr machen. Es stand zu dieser Zeit nur fest, dass wohl das komplette Totholz zu ersetzen war. Nur war ich mir nicht mehr so sicher, ob es wieder Holz werden sollte.

Eines stand aber schon einmal fest, egal was mit dem Baum in Zukunft geschehen sollte, weiterer Verfall sollte unbedingt vermieden werden. Mein Freund Michael Tigges besorgte mir deshalb einen Zweikomponentenharz, der zur Holzhärtung im Schiffsbau verwendet wird. Damit strich ich den ausgehöhlten Bereich des Baumes mehrmals an, bis eine dicke Harzschicht das Holz vollkommen versiegelt hatte.

Damit war der Baum gesichert, aber er sah schrecklich aus.


Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 6

Der Baum erholte sich wie erwartet und entwickelte sich im Laufe des Jahres auch gut weiter. Allerdings gefiel mir das Nebari überhaupt nicht mehr, weil es mittlerweile wirklich künstlich aussah.

Im Herbst 2002 machte der Baum noch einen guten Eindruck. Was man an einer Forsythie nur selten zu sehen bekommt, sieht man hier, eine schöne Herbstfärbung. Wenn das Klima stimmt, verfärben sich die Blätter manchmal zu einer sehr interessanten Blau-Lilafärbung.

Frühjahr 2003, der Baum blühte wieder sehr schön. Wenn man sich den Stammfuss genauer anschaut, sieht man, dass neuerlicher Verfall droht. Der ganze Bereich war mittlerweile nur noch gespachtelt. Die Anschlussstellen konnte man immer schlechter kaschieren, da das Holz sich zusehends verflüchtete.

Frühjahr 2004, eine noch schönere Blüte. Aber nun war es passiert. Der rechte Bereich des künstlichen Wurzelansatzes war ganz abgefallen. Es war wieder eine Höhlung entstanden, aus der feiner Holzstaub rieselte. Wenn man dieses Bild mit dem aus dem Frühjahr 2003 vergleicht merkt man den eigenartigen Stand des Baumes. Er war völlig instabil und es bestand die Gefahr, dass die Wurzeln bei einer kleinen Belastung direkt abreißen würden.

Nun war ich mir sicher, dass die lange Geschichte meiner Forsythie hier ihr Ende fand. Aber einfach den Baum wegschmeißen, dass brachte ich nicht übers Herz. Viele Bonsaifreunde kannten den Baum und brachten auch mich mit ihm in Verbindung. Er war so etwas wie mein Logobaum geworden. Also gab es nur eines, nicht aufgeben.

Meine erste Entscheidung war, dass der Baum zunächst entlastet werden sollte. Das entfernen des Totholzes würde diese Entlastung bringen. So nahm ich die Dremelfräse und es tat richtig weh. Nicht dem Baum, aber mir umso mehr.

Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 5

Im Frühjahr 2002 setzte sich der Verfall des Totholzes weiter fort. Jetzt war ein Stadium erreicht, wo man absehen konnte, dass das Totholz wohl bald gänzlich auseinanderfallen würde. Im Laufe der Jahre hatte ich mit dem Jinmittel eine richtig dicke Kalkschicht auf den Stamm gepinselt. Die war einer Eierschale nicht unähnlich. Da passierte es im Frühjahr diesen Jahres, dass der Stammfuss plötzlich ein Loch bekam, als ich den Baum ein wenig unvorsichtig anfasste. Der Stamm war nicht etwa feucht und faulig, nein im Gegenteil, es rieselte nur pulvertrockenes Holzmehl aus ihm heraus. Nun war ich erst einmal ratlos wie ich mit dem Baum weiter verfahren sollte. Nach ein paar Tagen entschloss ich mich aber zu einer weiteren Reparatur.

Einmal unvorsichtig angefasst und schon war es passiert. Um dieses Loch freizulegen musste ich nur ein wenig beherzt hineinpusten, so trocken war das.

Da wo dieses Missgeschick passiert war, wuchsen auch alle wichtigen Wurzeln. Der Baum wurde vom Stand her sehr instabil. Forsythienwurzeln sind weich. Wenn man nur dünnere Wurzeln hat, können sie einen schwereren Baum kaum halten.

Deshalb wurde der ganze Bereich mit Glasfaserspachtel ausgehärtet. Das gab wieder einen einigermaßen festen Stand. Der rote Farbton der Spachtelmasse lässt sich mit Jinmittel gut bleichen. Nach ein paar Tagen sieht man das nicht mehr.

Die Ansicht zeigt, wie dünn die Stammbasis mittlerweile geworden war.

Die Reparaturstelle ist geschliffen und der Baum neu eingetopft. Nun stand er erst einmal wieder fest im Topf.

Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 4

Sehr viel Arbeit war an dieser Forsythie von Nöten, bis sie ihr heutiges Erscheinungsbild zeigen konnte. Die Mühe hat sich meiner Meinung nach gelohnt. Nach einem frühzeitigen Blattschnitt und einer weiteren Korrektur der Krone stellte ich den Baum auf den 5. NRW-Bonsai-Tagen 1998 in Dortmund aus. Die neuen Blätter waren nur noch 1 -1,5 cm groß. Der Baum wurde sehr gut bewertet und erreichte einen Preis der Jury.

Die Freude war groß, ich gewann meine erste Medaille auf einer Ausstellung. Im Hintergrund ist Werner Busch zu sehen, lange Haare, Vollbart, ein echter Typ.

Auch Wolf D. Schudde stellte seine Werke aus.

Durch den frühzeitigen Blattschnitt 1998 blühte die Forsythie 1999 nur sehr spärlich. Konnte dadurch ihre Belaubung aber auch kompakter werden lassen.

Der Baum ist 30 cm hoch und im Jahr 2001 wahrscheinlich 27 Jahre alt. Eingetopft ist er seit Jahren in reinem Akadama, was ihm sehr gut bekommt. Gedüngt wird er mit jeweils einem Stück Bio Gold, was anscheinend auch ausreicht. Überdüngung bestraft er gleich mit größeren Blättern. Möchte man allerdings eine reichliche Blüte im Frühjahr erreichen, sollte man etwas großzügiger Düngen und somit größere Blätter in Kauf nehmen.

Über die Form des Baumes ist schon viel gestritten worden, da er in kein Gestaltungsschema passt. Er besitzt, meiner Meinung nach, eine “freie Form”. Interessant ist vielleicht noch Folgendes: Im Internetforum des BCD regte Walter Pall einmal eine Diskussion über das Thema „neo-klassische und kontemporäre Gestaltung“ an. Im Laufe dieser Beiträge stellte ich diese Forsythie dort vor und bat Walter Pall um eine Beurteilung, da ich selber nicht wüsste, in welcher dieser Stilrichtungen der Baum einzuordnen ist.

Diese Beurteilung spiegelte im Prinzip die Vorstellungen wieder, die ich vor Jahren bei der Gestaltung des Baumes im Kopf hatte, ohne jemals etwas über kontemporäre Gestaltung gehört zu haben. Dies ist Walter Palls Beurteilung der Forsythie:

Reiner,

der Gestaltungsstil ist eindeutig kontemporär. Warum? Weil es "verboten" ist, einen blühenden Baum (mit Ausnahme von Prunus mume) mit totem Holz zu gestalten. Außerdem ist eine solche Literatenform bei einer Forsythie noch nie da gewesen. Die Gestaltung ist hoch abstrakt, weil ein blühender Baum wie eine Konifere gestaltet wurde. Das ist ein Rückfall in neo-klassiche Gestaltung. Außerdem ist die Gestaltung expressionistisch, weil sie auch nicht im Ansatz versucht, das Gefühl einer natürlichen, idealen Forsythie mitzuteilen. Die Form ist "schlanker Stamm" oder Literatenform.

Das ist alles kein Werturteil, sondern eine nüchterne Feststellung.

Insgesamt finde ich den Baum erfrischend unkonventionell.

Die Schale ist eine Spur zu groß. Die Astetagen sind mir zu regelmäßig übereinander, annähernd gleich groß und zu geschleckt für einen Laubbaum.

Danke für's herzeigen.

mfg

Walter Pall

Aufgrund dieser Bewertung erstand ich von Horst Heinzlreiter eine neue, kleinere Schale. Sie ist rund und somit unterstreicht sie den Literatenstil. Im goldenen Schnitt ist sie allerdings nicht mehr. Außerdem brachte ich die drei Astetagen im Verhältnis zueinander wieder ins rechte Maß. Geschleckt sehen sie aber immer noch aus.

Das ganze wurde dann auf den 8. NRW Bonsai Tagen präsentiert und konnte wiederum einen Preis der Jury gewinnen.Aufnahme vom Juni 2001. Nach den 8. NRW Bonsaitagen wurde der Baum gedüngt. Deshalb sind die Blätter schon etwas größer geworden. Ab Ende August wird der Baum auch nicht mehr pinziert und wird dann im nächsten Frühjahr reichlich blühen.

Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 3

Die fertig verspachtelte Vorderseite. Das Experiment scheint gelungen.


Der Baum wurde gleich nach den Arbeiten in Akadama eingetopft, um keine Trockenschäden an den Wurzeln zu riskieren.

Geschliffen war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, da der Holzspachtel einige Stunden zum Abtrocknen benötigte. Auch war der Stand in der Schale nicht korrekt, weil zunächst die weitere Ausformung des neuen Wurzeljin Vorrang hatte.

Im folgenden Jahr musste ich erkennen, dass der verwendete Holzspachtel nicht meinen Ansprüchen gerecht wurde. Er bröckelte allmählich ab, sodass eine andere Lösung nötig wurde.

Nun versuchte ich es mit Glasfaserspachtel (auch aus dem Baumarkt), der wesentlich härter und vor allem witterungsbeständiger ist. Alternativ funktioniert auch Prestolith aus dem Autozubehör.

Diese Aufnahme von 1998 zeigt nun, dass von den Restaurierungsarbeiten nichts mehr zu sehen ist. Zwischenzeitlich habe ich alle unterirdischen Bereiche des neuen Wurzeljins mit einer offenen Flamme gehärtet, um sie vor neuerlichem Verfall zu schützen. Bis zum heutigen Tage ist kein neuer Verfall des Totholzes festzustellen.

Nach dieser Aufnahme wurde ein Blattschnitt durchgeführt und der untere Ast wurde ein wenig nach vorne gebracht. So entstand mehr “Zuneigung”, was die ganze Komposition gefälliger erscheinen ließ.

Das Ergebnis wurde dann auf den 5. NRW-Bonsai-Tagen präsentiert.

Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 2

In der Folgezeit baute der Baum dann in den Sharibereichen mächtig ab. Trotz großer Sorgfalt konnte ich die Bereiche, die Bodenkontakt hatten, nicht erhalten. Sie verfaulten zusehends. Die wichtige Wirkung des Sharibereiches drohte verloren zu gehen. Das Holz der Forsythie ist sehr weich und überhaupt nicht für Jin und Shari geeignet. Lange dachte ich darüber nach, wie ich den Baum in seiner Form erhalten konnte. 1995 hatte ich einige Eibenyamadoris ausgegraben. Beim Eintopfen dieser Bäume gab es reichlich Wurzelabfälle. Beim Betrachten eines Wurzelstückes kam mir dann die Idee, davon eine Prothese für meine Forsythie zu basteln.Eibenholz ist sehr hart und durch das enthaltene Harz auch recht langlebig.

Die Restaurierung
Für die geplante „Operation“ legte ich mir die benötigten Werkzeuge und Zubehör zurecht. Da ich es dabei mit einer lebenden Pflanze zu tun hatte, war große Sorgfalt bei den Arbeiten angesagt. Als Werkzeuge benutzte ich eine Handsäge, einen Bohrer, verschiedene Schnitzmesser, Japanspachtel und einen Hammer.Des weiteren benötigte ich einen Holzdübel, wasserfesten Weißleim, Schmiergelpapier und Holzspachtel aus dem Baumarkt.Solche Arbeiten sollten nicht in der prallen Sonne durchgeführt werden. Zu schnell können die Wurzeln einen Trockenschaden davontragen. Deshalb suchte ich mir einen Tag mit Nieselregen für diese Arbeit aus. Trotzdem sprühte ich den freiliegenden Wurzelballen zwischendurch immer wieder mit etwas Wasser ein. Heutzutage würde ich den Wurzelballen zum Schutz in Sphagnummoos einpacken.

Hier ist die ganze Misere zu sehen. Das Holz von Forsythien ist sehr weich und aus diesem Grund als Jin auch nicht lange haltbar. Deshalb sollte nun der gesamte tote Wurzelbereich ersetzt werden.Dazu sollte man ein wenig Talent beim Basteln besitzen. Als Wurzelersatz nahm ich einen Teil einer Eibenwurzel, da Nadelgehölz wegen des hohen Harzanteiles wesentlich haltbarer ist.Zum Trocknen des Eibenholzes kam das Wurzelstück erst einmal ein paar Minuten auf kleiner Stufe in die Mikrowelle, was lautstarke Proteste meiner Frau nach sich zog. Es roch nun einige Tage nach verbranntem Harz in unserer Küche.

Hier war der geschädigte Bereich bereits freigelegt. Mit einer Handsäge war ein erster Schnitt gemacht, an dem das neue Wurzelteil angefügt werden sollte.

Hier sieht man nun den fertig ausgeschnittenen Wurzelbereich. Die Arbeit wurde im Frühjahr, bei feuchter Witterung durchgeführt. So bestand wenig Gefahr, dass die freigelegten Wurzeln in der benötigten Zeit austrockneten. Das Holz war bis zu der Schnittstelle schon ziemlich morsch.Nun kam die Bohrmaschine zum Einsatz, um das Loch für den Holzdübel zu bohren. Da das frei Hand gemacht wurde, war eine ruhige Hand gefordert.

Das ausgewählte Wurzelstück wurde zwecks Passgenauigkeit dazugelegt. Mit der Größe und dem Sitz war ich zufrieden, sodass die Arbeit nun zu Ende geführt werden konnte. Unterschiede in der Stammdicke sollten durch die Holzspachtelmasse ausgeglichen werden. Farbunterschiede spielten auch keine Rolle, da das tote Holz sowieso immer wieder mit Jinmittel behandelt werden muss.

Leider hatte ich versäumt, dass Einfügen des Holzdübels zu fotografieren. Die Löcher dazu wurden in demselben, schrägen Winkel wie der Stamm gebohrt. Diese Arbeit gelang mir sehr gut und das neue Wurzelteil passte auf Anhieb.Die Bohrlöcher wurden mit dem wasserfesten Holzleim gefüllt. Dann wurde der Holzdübel leicht eingehämmert und anschließend das Wurzelstück aufgesteckt.Alles passte wunderbar, sodass die Schnittstelle nun verspachtelt werden konnte.

Die unendliche Forsythiengeschichte – Teil 1

1986 war ein gutes Jahr. Mein Sohn Dennis kam zur Welt. Da ich da schon 31 Jahre alt wurde, war es Zeit nicht mehr nur Bonsai im Kopf zu haben. Na ja, nur noch ein klein wenig. Der Kleine nahm unsere ganze Freizeit in Beschlag, weshalb ich zu dieser Zeit nicht sehr viele Bäume auf unserem Balkon pflegte.
Aber, man bekommt diese Sachen auch nicht völlig aus dem Kopf. So war es im Frühjahr, als wir die Schwiegereltern besuchten. Die Schwiegermutter arbeitete im Vorgarten, wo sie einen riesigen Forsythienbusch loswerden wollte. Dabei sollte ich ihr helfen.
Für die Clubzeitung des BCD habe ich einmal einen Bericht über diese Forsythie geschrieben. Teile davon zitiere ich nun hier.

Die vorgestellte Forsythie hat schon einen sehr langwierigen und auch interessanten Werdegang hinter sich. Diesen Baum bekam ich 1986 in meinen Besitz. Er stand genau 10 Jahre in einem Garten und war ein Teil eines 2,50m hohen Forsythienbusches. Die Besitzerin hatte ihn gerade ausgegraben und wollte ihn entsorgen. Natürlich bedurfte es keiner großen Anstrengung, ihr den Baum abzuschwatzen. So kam ich zu diesem, anfänglich wenig aussagendem Stamm. Forsythienbonsai hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen, deshalb wollte ich es einmal mit dieser Art versuchen. Da mir dabei nur ein nichtssagender Stamm zur Verfügung stand, zeichnete ich mir meine Vorstellungen über den zu erreichenden Bonsai auf. Leider sind die damaligen Skizzen nicht mehr vorhanden. Es war aber so, dass ich praktisch den Bauplan eines Bonsai entworfen hatte.
Meine Pläne für diesen Baum waren sehr abstrakt . Es sah eigentlich überhaupt nicht nach Bonsai aus (zumindest in dieser Zeit). Ich wollte beweisen, dass, wenn alles im goldenen Schnitt ist, man auf jeden Fall einen stimmigen Baum erhält. Heute kann ich sagen, dass meine damaligen Vorstellungen zu dieser Gestaltung wenig mit klassischer Bonsaigestaltung zu tun hatten. Es war sogar so, dass ich für diese Gestaltung nur die mir bekannten Regeln aus meiner Ausbildung in der Druckindustrie verwendete. Die bestanden darin, einen gefälligen Rahmen zu setzen, einen Blickfang schaffen und das Ganze so spannend aufzubauen, dass man sich damit länger beschäftigen muss. Stimmig in der Gestaltung, aber schwierig in der Aussage, so wollte ich diesen Bonsai machen. Nach dem Erreichen des Wunschzieles musste ich mich mit der Tatsache abfinden, dass nicht ein Laie, dem ich den Bonsai zeigte, Zugang dazu fand. So stand ich vor der Frage, ob ungewöhnliche Bonsaigestaltung Sinn macht, wenn es nur sehr wenige Leute gibt, die die Aussage, die ich mit der Gestaltung machen möchte, verstehen.

Die Forsythie im zweiten Jahr nach der Grundgestaltung. Weit entfernt von den Vorstellungen, die ich über die endgültige Form hatte.
Die GestaltungDer prägnante Knick im Stamm entstand dadurch, daß der ehemals schräg wachsende Stamm abstarb und danach seine Wuchsrichtung wieder in eine Senkrechte brachte. Und nur dieses Stammmerkmal stand mir am Anfang zur Verfügung.Den alten, abgestorbenen, schrägen Stamm entfernte ich komplett. Den Knick schliff ich mit Schmiergelpapier so weit, dass es nach einer abrupten Richtungsänderung aussah.Der entstandene Shari sah natürlich ziemlich ärmlich aus und so war eine erste Grundsatzentscheidung fällig. Schnell war der Entschluss gefasst, den Stamm auf seiner ganzen Höhe, zur Ansichtsseite, zu entrinden. Das war auch der erste ungewöhnliche Effekt, den ich an diesem Baum plante. Meine Vorstellung war, diesen Sharibereich durch ständiges Einstreichen mit Jinmittel, in ein strahlendes Weiß zu verwandeln. Das würde sehr irritierend wirken und den Betrachter zur Auseinandersetzung mit der Gestaltung zwingen. Spätere Bewertungen der Forsythie gaben mir im nachhinein Recht.Ein Jahr später stand dann fest, dass die Forsythie die ersten, harten Gestaltungsmaßnahmen angenommen hatte. Sie blühte sogar zum ersten Mal, sodass ich mutig wurde, in den weiteren Entscheidungen.

Der Baum war zu diesem Zeitpunkt weit entfernt davon als Bonsai akzeptiert zu werden.
Die Form, die der Baum zu dem Zeitpunkt hatte, war natürlich nicht akzeptabel. Mir war gleich klar und es war von Anfang an geplant, dass die Belaubung dem Stamm nach unten folgen musste. Nur, wie soll man so etwas erreichen, wenn der Neuzuwachs immer gen Himmel wachsen will?
Es folgten einige weitere Experimente, wie Abspannen des ganzen Astes, entfernen des gesamten nach oben gehenden Austriebes usw.
Erfolg brachte dann wieder ein ziemlich rabiater Versuch. Als keine meiner Bemühungen zum Erfolg führten, fixierte ich den Ast mit Draht und brach ihn einen Zentimeter vom Stamm entfernt ein. Er sollte auf diese Weise näher an den Stamm gebracht werden. Meine Hoffnung bestand darin, dass der Baum nach dem Brechen des Astes mit dem zu erwartenden Kallus, den Ast in eine senkrechtere Position bringen würde. Zur Not hätte ich diese drastische Vorgehensweise mehrfach wiederholt. Die Forsythie reagierte aber dankenswerterweise auf diese Misshandlung mit der Bildung des lang ersehnten senkrechten Astes.

Nach dem Brechen des einzigen Astes erschien der ersehnte senkrecht wachsende Ast. Man beachte den Unterschied zu Bild 1. Hier hatte ich den Ast schon sehr weit in die senkrechte gebracht.

Noch traute ich mich nicht konsequent auf den senkrechten Ast abzusetzen.
Im nächsten Frühjahr trennte ich mich dann von dem restlichen Austrieb.
Drei Äste streng nach dem goldenen Schnitt ausgewählt, ließ ich wachsen.
Von nun an war ich überzeugt einen wirklich gelungenen Bonsai in meinem Besitz zu haben und war fortan in den nötigen Gestaltungsmaßnahmen wesentlich vorsichtiger.Im April 1992 nahm ich mit diesem Baum an einer Leserausschreibung der Zeitschrift Bonsai-Praxis Workshop (später Bonsai-creativ) teil. Die Freude war groß, dass der Baum unter den zehn Gewinnern war. Das war eine unerwartete Bestätigung, dass dieser Baum anscheinend als Bonsai Anerkennung fand.

Aufnahme vom April 1992. Gewinner im Leserwettbewerb von Bonsai Praxis-Workshop.Über die skurrile Wurzel (links) geht die gesamte Versorgung des Baumes. Sie ist bis heute nicht zu entfernen. An der Verbesserung des Nebaris arbeite ich seit vielen Jahren. Es besteht die Hoffnung, dass ich mich im nächsten Jahr von dieser unschönen Wurzel trennen kann.