Samstag, 9. August 2008

Eine Sache der Überwindung Teil 5

Der Baum nach der ersten Gestaltungsmaßnahme. Das Laub ist nun sehr nah an den Stamm gerückt. Das ganze ist nun sechs Wochen her und der Baum sieht sehr gut aus. Mittlerweile hat er schon die Knospen für das nächste Frühjahr angelegt. Auch diese sehen sehr gut aus. Es sind viele geworden. Wenn der Baum als Literat durchgehen soll, muss ich schon im Frühjahr diese Knospen sortieren. Der gute Gesamtzustand des Baumes wird eine weitere Bearbeitung im Herbst diesen Jahres möglich machen.

Hier noch einmal ein Bild, welches das Ergebnis vorher und nachher zeigt. Die Verhältnisse beider Aufnahmen stimmen nicht ganz. War der Baum vorher in seiner Gesamthöhe 90 cm hoch, ist er jetzt 110 cm hoch. Nach der Gestaltung werden es wohl wieder die 90 cm werden. Wenn man sich die Borke anschaut, sieht man eine sehr alte, grobe Borke. Für einen Literaten ist sie zu grob. Ein guter Literat sollte eine alte, aber feine Borke zeigen. Das kann man relativ schnell erreichen, wenn man diese grobe Borke entfernt. Da habe ich so eine schöne, alte Kiefer und dann die Borke entfernen? Das braucht tatsächlich noch viel mehr Überwindung als die bisherigen Arbeiten. Da werde ich noch länger drüber nachdenken müssen.

Fortsetzung folgt...

Eine Sache der Überwindung Teil 4

Um dicke Äste oder Stämme zu Biegen gibt es unterschiedliche Hilfsmittel. Besonders gute Erfahrungen habe ich mit dem Einsatz von Spanngurten gemacht. Man kann dabei sehr genau die Spannung dosieren. Zunächst sollte der umzuformende Bereich etwas nach unten und auch schon in den Vordergrund gezogen werden. Dazu brachte ich zunächst einen Spanngurt an und machte die ersten Biegungen innerhalb von zwei Stunden. Man sollte wirklich beachten, dass man nur in sehr kleinen Schritten spannt. Immer nur ein kurzes Stück und dann dem Baum wieder einige Minuten Ruhe gönnen. Man gibt damit den Holzfasern die Möglichkeit flexibel zu bleiben. Spannt man zu schnell, kommen die Holzfasern nicht mit dem ausgeübten Druck zurecht und reißen sehr schnell. Macht man die Arbeit langsam reißen die Fasern auch, aber an sehr vielen Stellen. Es gibt mehr Wunden, aber eben nur kleine.

In dieser Position wurde das Ergebnis zunächst fixiert. Dazu nimmt man einen Spanndraht und dann kann der Spanngurt wieder entfernt werden.

Die Baumkrone war noch nicht in ihrer angestrebten Position. Es gab auch keine Möglichkeit sie weiter in den Vordergrund zu holen, da sie nicht fixiert werden konnte. Deshalb brachte ich nun eine Eisenstange an den Stamm an.

Das ist ein altehrwürdiges Teil. Diese Eisenstange stammt noch aus den 90´er Jahren. Damals habe ich mit Wolf Schudde eine Eibe gestaltet und diese Eisenstange wurde benutzt, um daran einen dicken Ast zu verbiegen. Diese Erinnerungen kamen nun wieder zu Tage. Gerne denke ich an die Zeit, als ich Wolf Schudde häufiger in seinem Atelier in Düsseldorf besuchte.

Nun wurde der Spanngurt an die Eisenstange angebracht. Die restliche Strecke der nötigen Stammwindung dauerte wiederum zwei Stunden. Wenn ich ehrlich sein soll, war ich sehr erstaunt, dass sich der Stamm überhaupt derartig verwinden ließ. Wie man auf dem Bild sieht, ist der Kronenbereich, der anfangs nach hinten stand nun um 180° in die Vorderansicht gebracht.

Der Stammbereich mit den roten Pfeilen wurde um 60° gewunden. Unglaublich, wenn man sich dieses kurze Stück anschaut. Noch unglaublicher, es hat nicht einmal geknackt. Näher an den Stamm konnte ich die Krone nicht holen, da der Spanngurt ganz herangezogen war. Dieses Ergebnis war aber auch OK.

Noch viel unglaublicher, nach fixieren des Ergebnisses, ließ sich der Kronenbereich mit Muskelkraft tatsächlich noch ein Stück weiter nach vorne holen. Hierbei wurde aber gebogen, nicht mehr gewunden.


Eine Sache der Überwindung Teil 3

Die Arbeiten an dieser Kiefer, es ist übrigens eine Pinus sylvestris, habe ich am 23. Juni begonnen. Zunächst wurde der obere Stammbereich über die gesamte Länge, die gewunden und gebogen werden sollte, mit den Mullbinden um wickelt.

Hierbei sollte man die Mullbinde so eng wickeln, dass der gesamte Bereich völlig bedeckt ist. Eine dickere Wicklung war hierbei auch nötig, da die Binde ja auch noch genügend Feuchtigkeit aufnehmen musste, um einen kleinen Schutz der alten Borke zu Gewährleisten.

Der Fahrradschlauch ist auch sehr eng angebracht. Wie man sehen kann wurden die einzelnen Windungen ziemlich exakt gelegt. Das garantiert einen gleichmäßigen Druck über die gesamte Fläche.

So fixiert man den Schlauch. Einfach mit einem Stück Draht sichern, fertig.

Zum Schluss wurde der getapte Bereich noch mit einem 6 mm Draht umwickelt. Der Draht ist natürlich zu dünn, um diesen Stammbereich biegen zu können. Er hat nur den Zweck, den Stamm bei eventuellen Querrissen zusammen zu halten.

Eine Sache der Überwindung Teil 2

Wenn man derartig krasse Eingriffe an einem Baum plant, sollte man sich Gedanken machen, wie man dieses Vorhaben am schonendsten für den Baum hinbekommt.

Der Baum muss sowieso hart bandagiert werden. Die Krone wird nicht viel gebogen, sondern zum größten Teil verwunden. Deshalb sind Drähte, zum Schienen des Stammes, nicht nötig. Bandagiert man mit Raffia, erzielt man an dem bandagierten Stamm unterschiedlich starke Wicklungen. Dies kann in der Folgezeit zu teilweisem Einwachsen des Raffias führen und der Stamm sähe über längere Zeit nicht wirklich gut aus.

Mullbinden und Elektrotape sind für diese geplanten Windungen nicht fest genug anzubringen. Außerdem sollte man das Elektrotape nicht im Sommer benutzen. Es entwickelt sich unter dem Tape eine große Hitze, die den getapten Bereich absterben lassen kann. Elektrotape sollte man nur dann verwenden, wenn der Baum im Winter gestaltet wird, oder man muss es nach ein paar Wochen wieder entfernen.

Schon Anfang des neuen Jahrtausends gaben mir österreichische Bonsaifreunde den Tipp, beim Biegen von starken Ästen einen Fahrradschlauch zu verwenden. 2001 habe ich das schon mit einer Eibe gemacht und kam zu einem wirklich guten Ergebnis. Deshalb war der Gummischlauch auch bei dieser Arbeit die erste Wahl.

Einen alten Fahrradschlauch hat wohl jeder in seinem Keller. Wenn nicht, der kostet auch nicht so viel.

Den Schlauch schneidet man nun der Länge nach in zwei Teile. Diese Streifen können ruhig etwas breiter sein. Beim Anbringen muss man den Schlauch sehr stark in die Länge ziehen, dadurch wird er wieder um einiges schmaler.

Als ersten Schutz verwende ich auch hierbei normale Mullbinden. Diese sollten mindestens 10 cm breit sein. Wenn man sie eng wickelt, werden sie sehr schmal.

Was ist nun der Vorteil von diesem Gummi? Da man den Schlauch ja wirklich extrem in die Länge spannt, wird die Wicklung sehr fest und eng. Dabei verteilt sich der Druck des Gummis sehr gleichmäßig auf den gesamten getapten Bereich. Dazu kommt, dass dieses Gummi unter Spannung luftdurchlässig wird. So bringen wir den getapten Stamm oder Ast nicht in Gefahr, wie das mit dem Elektrotape möglich ist. Der Gummi kann lange am Baum verbleiben.

Durch die Spannung wird das Gummi schnell spröde. Schon nach zwei Wochen sieht man, wie es allmählich in der Struktur aufreißt. Kurze Zeit später reißt es dann wirklich. Im Laufe der Wochen nehmen die Risse zu und irgendwann fällt das Gummi von alleine ab.

Eine Sache der Überwindung Teil 1

Diese Kiefer besitze ich seit 2005. Sie ist ein Geschenk von meinem Freund Michael und stammt aus dem hohen Norden. Michael hatte sie zunächst ein Jahr im Land stehen, wo sie den Umzugsstress schon etwas überwunden hatte. Dann bekam ich den Baum und topfte ihn in ein sehr grobes Substrat. Der Baum sah von Anfang an sehr Gesund aus und im Sommer diesen Jahres wollte ich mit den ersten Gestaltungsmaßnahmen beginnen. Das ist jetzt auch eine gute Möglichkeit, dass ich die komplette Entwicklung des Baumes, über einen längeren Zeitraum, in diesem Blog beschreiben kann. Man kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, wann der Baum fertig sein wird. Alles kommt darauf an, wie er die einzelnen Gestaltungsschritte verkraftet, wobei der erste Schritt schon sehr heftig war. Es ist für den Leser also genauso spannend, wie für mich selber.

Der Baum in der geplanten Vorderansicht. Er ist 90 cm hoch. Der Stamm hat einen Durchmesser von 10 cm und das Nebari ist 13 cm breit. Die Form des Nebaris und die in dieser Ansicht vorhandenen, leichten Bewegungen des geraden Stammes, macht diese Ansicht zur ersten Wahl.

Der Stamm ist sehr gerade gewachsen und nur im oberen Bereich kommt es zu mehreren starken Richtungsänderungen des Stammes. Das macht den Baum etwas skurril.

Die rechte Seitenansicht. Hier sieht man, dass die Krone und der starke, darrunterliegende Ast, weit nach hinten ragen. Auf den unteren Ast werde ich in Zukunft wohl verzichten. Der Baum kann ein schöner Literat werden.

Die Hinteransicht. Das gesamte Laub kommt auf den Betrachter zu. Eigentlich wäre das Grund genug, hier eine Vorderansicht anzustreben. Was man auf dem Foto nur schlecht sieht, der Stamm ist hier überhaupt nicht spannend, einfach nur gerade. Das Laub kommt auch sehr weit nach vorne, sodass auch hier große Umformungsarbeiten nötig wären.

Ansicht von der linken Seite. Sieht gut aus, schönes Foto. Aber das war´s auch schon. Auch hier zeigt der Stamm nicht sein ganzes Potential. Starkes Biegen der Krone wäre von allen Ansichtsseiten nötig.

Mein Plan geht dahin, dass die Vorder- und die Hinteransicht gleichwertig werden, sodass er von beiden Seiten angeschaut werden kann.

Hier eine Aufnahme, die die starken Windungen im Spitzenbereich des Stammes zeigt.
Geplant ist nun, diesen Bereich stellenweise bis zu 60° zu Winden. Die gesamte Baumkrone wird um 180° in die Vorderansicht gebracht. Gerade die Stammbereiche, die bis zu 60° gewunden werden sollen, sind aber nur ca. 10cm lang. Ein riskantes Vorhaben. Für diese Windungen brauchte ich dann doch etwas Überwindung.

Freitag, 8. August 2008

Es geht weiter

Liebe Bonsaifreundinnen und –freunde,

in der letzten Zeit habe ich nicht viele neue Sachen für den Blog geschrieben. Das hatte seine Gründe. In den letzten Monaten hatte ich einige schlechte Nachrichten zu verdauen, die mich an alles, nur nicht an einen Bonsaiblog denken ließen. Das hatte auch meine Aggressionsschwelle enorm angehoben, ich wurde sehr schnell reizbar. Deshalb geht der tägliche Austausch mit anderen Bonsaifreunden in den Diskussionsforen nicht mehr, da gerate ich nur in Streitgespräche. Für unbestimmte Zeit werde ich mich also mit Beiträgen aus den Foren heraushalten, ich werde nur stiller Leser sein.

Es ist aber auch so, dass ich gerne über mein Hobby schreibe, ob nun in Fachzeitschriften, Foren oder hier, im Blog. Das will ich nicht komplett einstellen.

Über das Programm Google-Analytics bekomme ich täglich eine genaue Aufstellung über die Besucher in diesem Blog. Da sehe ich, wie viele „echte“ Besucher ich habe, ob sie treue Leser sind, aus welchem Land und welcher Stadt sie kommen, wie lange sie in dem Blog lesen u.s.w. . Es sind mittlerweile einige treue Leser darunter, die auch regelmäßig nachschauen, ob es neue Beiträge gibt. Das ist eine erfreuliche Sache, wenn man merkt, dass sich einige Leute für meine Berichte interessieren. Deshalb werde ich diesen Blog auch weiterhin mit neuen Artikeln füllen.

Bisher habe ich in den Foren immer einen Hinweis geschrieben, wenn ich einen neuen Artikel in diesen Blog eingestellt hatte. Das werde ich nicht mehr machen. Mir war das etwas peinlich, nicht im Forum zu schreiben, sondern auf den Blog zu verweisen.

Deshalb meine Bitte an alle Leser – schaut regelmäßig in den Blog, ich werde versuchen, monatlich einen neuen Beitrag zu veröffentlichen.

Für die Kommentare und freundlichen Mails zu dem Blog möchte ich mich herzlich bedanken.

Es geht dann mit einer schönen Yamadori-Kiefer weiter, die jetzt die ersten Gestaltungsmaßnahmen erhalten hat und die noch einen langen Weg bis zum fertigen Bonsai vor sich hat.

Reiner