Montag, 16. Juli 2007

Die Eibe als Bonsai – Teil 4

Bei der Eibe, hier besonders bei Taxus cuspidata, können sich die Saftbahnen um den Stamm winden. Eine Saftbahn erkennt man an den geschwollenen Bereichen im Stamm, die den Eindruck einer dicken Ader oder eines Muskelstranges erzeugen. Saftrückzug besteht meistens in den angrenzenden Tälern, zwischen den Saftbahnen. In den Vertiefungen, in denen klar erkenntlich ein Saftrückzug stattgefunden hat, kann man anfangen, zunächst einen kleineren, Sharibereich anzulegen. Verschließe die Wundränder mit Wundverschlussknete, um ein zu schnelles austrocknen der Wunde zu vermeiden. Wenn Du Dir sicher bist, dass Du dem Baum keinen Schaden mit dieser Maßnahme zugefügt hast, kannst Du diese Sharibereiche, nach und nach, ein wenig vergrößern. Denke immer daran, sobald Du eine dicke Saftbahn entrindest, können der Eibe einzelne oder auch mehrere Äste absterben. Im schlimmsten Fall stirbt dabei auch der ganze Baum.

Trotzdem fragst Du Dich, wie es den Japanern dann gelingt, solche ausladenden Totholzbereiche, an denen nur noch einzelne, dünne Saftbahnen sichtbar sind, zu gestalten. Die Techniken, die zu den gewünschten Ergebnissen führten, fand ich eher zufällig heraus. Später erkannte ich dann, dass diese Techniken genauso in den asiatischen Bonsaischulen angewandt werden.

1995 war ich in der glücklichen Lage, in einer verlassenen Baumschule, einige 35 - 40jährige Taxus cuspidata ausgraben zu können. Alle waren ca. 1,20 m hoch und bis zu vier Metern im Durchmesser. Auch die Stämme waren alle ca. 12 cm dick. Die Stämme zeigten bis auf 80 cm kaum Verjüngung und bildeten in dieser Höhe, mit dicken Ästen, die Krone. Das erste Grün war zumeist, weit vom Stamm entfernt. Die Eigenschaft aller Eiben, auch aus altem Holz wieder austreiben zu können, war mir bekannt. Deshalb kürzte ich die Baumkronen soweit ein, dass fast nur noch die Stämme übrig blieben. Trotz minimaler Benadelung, trieben die Bäume wieder willig aus. Durch das rigorose entfernen aller dicken Äste, waren nun einige Saftbahnen der Eiben nutzlos geworden. Hier erfolgte nun, von mir zunächst unbemerkt, ein Saftrückzug. Nach drei Jahren unbehindertes Wachstum in der Holzkiste, wollte ich eine Eibe gestalten. Da der Stamm eine optische Verjüngung benötigte, plante ich einen Sharibereich anzulegen. Der Baum hatte aber schon von ganz alleine einen großen Shari ausgebildet. 50% der Rinde waren ausgetrocknet und konnten sehr leicht entfernt werden. Die Saftbahnen darunter waren scharf abgegrenzt. Natürlich war ich sehr erfreut über diese Entdeckung, da sich nun schöne Gestaltungsmöglichkeiten für die eher langweiligen Bäume ergaben. Weiteren Bäumen wurden nun die Äste abgeschnitten, die für eine Gestaltung nicht in Frage kamen. Meistens reagierten die Eiben, wie erwartet, mit Saftrückzug und es entstanden innerhalb von zwei bis drei Jahren "natürliche" Sharis. Manchmal jedoch will eine Eibe die Äste nicht aufgeben und treibt immer wieder neu daran aus. Das sollten wir dann respektieren und andere Gestaltungswege finden. Denn zwingen lässt sich eine Eibe oftmals nicht. So kann es passieren, dass sie nach einer Gestaltung, jahrelang nur sehr minimal austreibt.

Fazit:

Eine Eibe ist ein Baum der sehr alt werden kann und nur langsam wächst. Bei allem was man gestalterisch an Taxus macht, lasse dem Baum danach Zeit, sich mit den veränderten Umständen zurechtzufinden. Für diese Bäume ist es ein Trauma, wenn ein übereifriger Bonsaifreund in einem Jahr umtopft, eine Grundgestaltung macht, Drahtet und möglicherweise auch noch Jin und Sharipartien macht. Wenn der Baum nicht gleich stirbt, wird er sich zumindest über einige Jahre nicht weiterentwickeln. Gönnst Du Dir und Deinem Baum aber viel Ruhe in der Entwicklung, hast Du bald einen Bonsai, der Dir viel Freude bereiten wird.

Durch Saftrückzug ist die Rinde eingetrocknet. Sie reißt auf und darunter sieht man das nackte Holz. Von solchen Stellen ausgehend, legt man die Sharibereiche an einer Eibe an.

Beim Abklopfen der Rinde klang es hohl bei diesem Taxus cuspidata. Nach dem Entfernen der toten Borkenteile kam ein natürlicher Shari zum Vorschein.

Keine Kommentare: