Samstag, 10. April 2010

Forsythia x intermedia - TiTanuki

Dies ist die Fortsetzung der "unendlichen Forsythiengeschichte", die Sie HIER finden.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift "Bonsai" Ausgabe 123 erschienen.




Von Reiner Vollmari

Die Geschichte der hier vorgestellten Forsythie ist schon sehr lang. Seit 22 Jahren pflege ich dieses Bäumchen und habe seither immer wieder Reparaturarbeiten an ihrem Stamm vornehmen müssen.
Im Clubheft Nr. 92, aus dem Jahre 2001 berichtete ich schon einmal über diese Forsythie, dessen Geschichte ich nun weiter erzählen möchte.
1986 bekam ich die Forsythie in meinen Besitz. Es dauerte einige Jahre bis ich die jetzige Form durch verschiedenen Schnitttechniken provoziert hatte. Das Problem seit jeher war das Totholz, was vom Wuzelansatz ausging. Diese Wunde war von Anfang an an dem Bäumchen und wurde von mir über den ganzen Stamm erweitert. In den ersten Jahren bekam man noch kein Jinmittel zu kaufen. Damals konservierte ich das Holz mit Zitronensäure, was aber auf Dauer keinen Schutz bot. So waren bald Reparaturarbeiten an dem Totholz nötig. Am Stammfuß baute ich eine Prothese aus Eibenholz ein, die mit Glasfaserspachtel und einem Holzdübel befestigt wurde. So war der untere Bereich auch über einen längeren Zeitraum konserviert. Nur, dass Holz der Forsythie ist sehr weich und zersetzt sich im Laufe der Jahre immer mehr. Das passiert auch, wenn das Holz gut geschützt ist und nicht fault.
So waren immer wieder Holzteile zu ersetzen und der Stammshari verlor allmählich sein natürliches aussehen.


Die Forsythie im März 1993. Mit diesem Bild war ich bei den Gewinnern eines Leserwettbewerbs der Zeitschrift “Bonsai-Praxis workshop”.


1995 war der Stammansatz verfault und wurde mit Eibenholz repariert.


Eine Aufnahme von 1998. Bis dahin waren noch einige weitere Reparaturarbeiten am Totholz nötig.

Im Jahr 2002 löste sich ein großer Teil des unteren Holzes auf. Durch das jahrelange auftragen von Jinmittel hatte sich eine richtige Kalkschale auf dem Holz gebildet, ähnlich einer Eierschale. Diese brach im Frühjahr dieses Jahres und es rieselte pulvertrockener Holzstaub aus dem Stamm. Man brauchte nur pusten und der untere Stammbereich war hohl geworden. Das ganze wurde dann noch einmal komplett mit Glasfaserspachtel ausgefüllt und in Form geschliffen. Nun waren diese Ausbesserungsarbeiten sehr deutlich zu erkennen.
Der Baum hatte mir mehrere Preise eingebracht und da trennt man sich nur sehr ungern von ihm. Er bekam eine art “Gnadenbrot” auf meinem Bonsairegal. Er war nicht mehr vorzuzeigen, aber er war mir zu sehr ans Herz gewachsen als das ich mich so einfach von ihm trennen konnte.
So stand das Bäumchen weitere drei Jahre auf dem Regal. In dieser Zeit wurde das restliche Holz auch immer unansehnlicher. Aber die Forsythie zeigte mir auch immer, dass sie noch nicht am Ende war. So schön, wie in diesen drei Jahren hatte sie vorher nie geblüht. Deshalb wollte ich sie auch nicht aufgeben und wusste aber nicht, wie ich sie zu neuem Glanz führen könnte.
Im Frühjahr 2005 brach dann ein grosses Stück Holz am Stammfuss weg. Dieser Bereich gab dem Baum bisher immer auch seine Standfestigkeit. Nun war der Baum instabil und in Gefahr, dass er ganz umbrach.
Da dieser Totholzbereich nun durch anflicken von anderen Holzstücken nicht mehr zu retten war, fräste ich das restliche Totholz im unteren Stammdrittel komplett aus. Nur ein kleiner Rest gesunden Holzes blieb stehen und der Stamm war stellenweise nur noch 5 mm dick. Damit die Forsythie nun nicht umbrach, befestigte ich sie an einem Essstäbchen. So blieb der Baum das ganze Jahr stehen und ich wusste nicht, was ich nun mit ihm machen sollte.
Anfang 2006 entfernte ich dann das ganze Totholz, bis in die Spitze des Baumes. Mir war nur klar, dass ich nicht wieder Flickwerk machen wollte und Holz einer anderen Baumart wollte ich nun auch nicht wieder verwenden.
Damit das verbliebene Holz aber nicht faulen konnte, versiegelte ich es komplett mit Zweikomponentenharz. Das Harz wurde so lange aufgetragen, bis eine dicke Schicht das Holz bedeckte. So war der Baum bestens geschützt und die anschliessende Blüte war besonders schön. Der Baum forderte mich wohl auf, mir über seine Zukunft mehr Gedanken zu machen.
eine richtige Kalkschale auf dem Holz gebildet, ähnlich einer Eierschale. Diese brach im Frühjahr dieses Jahres und es rieselte pulvertrockener Holzstaub aus dem Stamm. Man brauchte nur pusten und der untere Stammbereich war hohl geworden. Das ganze wurde dann noch einmal komplett mit Glasfaserspachtel ausgefüllt und in Form geschliffen. Nun waren diese Ausbesserungsarbeiten sehr deutlich zu erkennen.
Der Baum hatte mir mehrere Preise eingebracht und da trennt man sich nur sehr ungern von ihm. Er bekam eine art “Gnadenbrot” auf meinem Bonsairegal. Er war nicht mehr vorzuzeigen, aber er war mir zu sehr ans Herz gewachsen als das ich mich so einfach von ihm trennen konnte.
So stand das Bäumchen weitere drei Jahre auf dem Regal. In dieser Zeit wurde das restliche Holz auch immer unansehnlicher. Aber die Forsythie zeigte mir auch immer, dass sie noch nicht am Ende war. So schön, wie in diesen drei Jahren hatte sie vorher nie geblüht. Deshalb wollte ich sie auch nicht aufgeben und wusste aber nicht, wie ich sie zu neuem Glanz führen könnte.
Im Frühjahr 2005 brach dann ein grosses Stück Holz am Stammfuss weg. Dieser Bereich gab dem Baum bisher immer auch seine Standfestigkeit. Nun war der Baum instabil und in Gefahr, dass er ganz umbrach.
Da dieser Totholzbereich nun durch anflicken von anderen Holzstücken nicht mehr zu retten war, fräste ich das restliche Totholz im unteren Stammdrittel komplett aus. Nur ein kleiner Rest gesunden Holzes blieb stehen und der Stamm war stellenweise nur noch 5 mm dick. Damit die Forsythie nun nicht umbrach, befestigte ich sie an einem Essstäbchen. So blieb der Baum das ganze Jahr stehen und ich wusste nicht, was ich nun mit ihm machen sollte.
Anfang 2006 entfernte ich dann das ganze Totholz, bis in die Spitze des Baumes. Mir war nur klar, dass ich nicht wieder Flickwerk machen wollte und Holz einer anderen Baumart wollte ich nun auch nicht wieder verwenden.
Damit das verbliebene Holz aber nicht faulen konnte, versiegelte ich es komplett mit Zweikomponentenharz. Das Harz wurde so lange aufgetragen, bis eine dicke Schicht das Holz bedeckte. So war der Baum bestens geschützt und die anschließende Blüte war besonders schön. Der Baum forderte mich wohl auf, mir über seine Zukunft mehr Gedanken zu machen.



Der untere Stammbereich ist weggebrochen. Dadurch wurde die Forsythie instabil und stand nicht mehr fest auf ihren Wurzeln.


Hier sieht man, dass der gesamte untere Bereich nur aus Spachtelmasse bestand. Das restliche Holz war butterweich.


Nach dem Fräsen. Der Stamm war extrem dünn und drohte zu brechen.


Ein verankertes Essstäbchen gab dem Baum für den Rest des Jahres genügend halt. Es war eine vorläufige Notlösung.


2006, dass komplette Totholz ist bin die Spitze des Baumes entfernt. Nur eine sehr dünne Schicht stabiles Holz blieb übrig.


Mit Zweikomponentenharz wurde das Holz vor weiterem Verfall geschützt.


Vor dem anschließenden Umtopfen blühte die Forsythie wieder sehr schön.

Ein Neuanfang

Da fiel mir wieder ein Gespräch ein, dass ich mit Michael Tigges auf der langen Autofahrt zur Sakka-Ten 2004 geführt hatte. Da haben wir darüber gesprochen, wie es wohl aufgenommen würde, wenn man an einem Baum einen Jin- oder auch Sharibereich einmal nicht aus Holz gestalten würde, sondern man nähme dazu geschliffenes Metall. Das würde man in den Baum einbauen, sodass alles natürlich verwachsen erscheinen würde. Wäre das Kunst? Das Gespräch ging auch soweit, dass wir feststellten, dass es viele Menschen ja auch als sehr hilfreich empfinden, wenn kaputte Gelenke durch Titanimplantate ersetzt würden. So etwas gibt es ja teilweise sogar für Tiere.
Nun hatte ich einen Baum, der konnte nicht mehr alleine stehen. Der Totholzbereich musste ersetzt werden. Die Forsythie sollte nun ein Tanuki werden.
Also sprach ich mit dem Michael Tigges und er erinnerte sich auch gleich an unser damaliges Gespräch. So nahm er den Baum mit und wollte sich Gedanken machen, ob ein Stammersatz aus Metall überhaupt machbar ist. Erste Gedanken gingen in die Richtung von einem Bronzeguss. Das wäre aber sehr schwierig geworden, da Michael dann erst eine Gussform von dem Stamm hätte machen müssen.
Ein paar Wochen später rief Michael an, um mir mitzuteilen, dass er ein Titanstück als Stammersatz formen wollte.
Nun sah ich für den Rest des Jahres die Forsythie nicht mehr. Michael hatte sich eine geradezu unglaubliche Arbeit vorgenommen. Wer Titan kennt, weiß das es das härteste Metall überhaupt ist. Mit normalen Mitteln lässt es sich so gut wie gar nicht formen.
Um die passenden Biegungen des Stammes zu machen, musste Michael das Titan zunächst auf ca. 1200°C erhitzen. Nur dann konnte er es mit dem Schmiedehammer um wenige Millimeter verbiegen. Das anschließende Schleifen des Titan dauerte dann sehr lange und verbrauchte eine riesige Menge an Schleifscheiben. Michael hat das Titanstück sehr exakt eingepasst. Das alles ist reine Handarbeit und zeigt deutlich Michaels meisterliches Talent beim Umgang mit solchen Materialien.
Niemand anderes hätte diese Arbeit für mich machen können oder hätte die Ausdauer dazu aufgebracht.
Zum Ende des Jahres 2007 kam Michael dann mit dem Baum zu Besuch. Sie können sicher sein, dass mir die Kinnlade herunterfiel, als ich das erste Zwischenergebnis sah.
Uns war gleich klar, dass der neue Stamm farblich nicht neutral bleiben sollte. Mit Hilfe eines Schweißbrenners kann man jedes Metall färben. Je nach Hitze erreicht man so einen Farbton von Gelb über Rot zu Blau und zum Schluss ein Grau. Michael hatte in einem ersten Versuch das Titan Blau eingefärbt.
Wir überlegten sehr lange, ob wir das so lassen sollten. Die Wirkung ist sehr extrem, aber gerade die konträre Farbgebung des Stammes gibt dieser Gestaltung ihre unnachahmliche Wirkung.
Auf meinem Wunsch hin versuchte Michael aber auch noch den Stamm Rot zu färben. Die rote Farbe ist sehr schwierig zu erzielen. Die exakte Dosierung der Hitze kann man mit einem Schweißbrenner kaum erreichen. So gab sich Michael noch einmal eine große Mühe, den Stamm in einem sehr intensiven Blau einzufärben. Das ist ihm sehr gut gelungen.
Im Frühjahr 2008 brachte er dann den Baum zu mir. Durch die vielen Störungen des letzten Jahres blühte der Baum nur mäßig, war aber trotzdem sehr gesund.
Nun sollte die Forsythie noch eine Schale bekommen, die das bisher erreichte würdig unterstreichen sollte.
Es kam nur eine Schale in Frage. Diese Schale hatte ich schon seit einigen Jahren in meinem Besitz. Horst Heinzlreiter hat sie getöpfert. Diese Schale ist in einem orangefarbenen Ton glasiert, mit vielen Schattierungen bis ins Schwarze. Um diesen Farbton zu erhalten sind auch mehrere Arbeitsgänge nötig, welche aber Horst Heinzlreiters Geheimnis bleiben sollen.
Weil diese Schalenfarbe die Blüte der Forsythie wunderbar unterstreicht und natürlich, weil sie ebenso schwierig herzustellen ist, war sie wie für diese Forsythie gemacht.



Der neugeformte Titanstamm in einer ersten Passprobe. Die Metallfärbung war noch nicht komplett und wurde später noch einmal verbessert.


Nach dem Umtopfen. Die Blüte ist durch die vielen Störungen der letzten Zeit etwas verhalten.


Tiefer Frost und hoher Schnee im Winter. Man könnte meinen der Titanstamm lebt. Ständig zeigt er andere Farben.

Kunst?

Nun bleibt die Frage offen, darf man so etwas machen und was hat das noch mit Bonsai zu tun?
Sie sollten wissen, diese Forsythie ist nun nicht mehr meine Forsythie. Zumindest gehört sie nicht mehr mir alleine. So wie sie jetzt ist, ist sie ebenso Michael Tigges Arbeit.
Michael Tigges hat als Kunstschmied in früheren Zeiten auch Ausstellungen mit eigenen Bronzeplastiken in einer Galerie durchgeführt. Er ist also ein Künstler. Bei dieser Forsythie sind unsere Visionen zusammen gekommen. Bei mir wäre das nur eine Vision geblieben. Michael ist der Mensch, der dieser Vision ein Gesicht geben konnte.
Ist aus dieser Forsythie nun Kunst geworden? Die Gestaltung der Forsythie, solange ich sie gestaltete, war keine Kunst. Bestenfalls war das kontemporäre Bonsaigestaltung. Was Michael Tigges nun daraus geformt hat, dass ist Kunst. Das sage ich auch deshalb, weil Sie das nur sehen können, wenn Sie den Baum real betrachten. Ihr Auge kann das gesehene zunächst nicht einordnen. Zu fremd erscheint dieses Gebilde. Sie sind gezwungen sich damit auseinander zu setzen. Lassen Sie sich darauf ein, sehen Sie einen Bonsai der Reife zeigt. Eigentlich passt alles gut zusammen, aber dieses Blau. Dieser blaue Titan verwirrt den Betrachter wirklich. Bisher habe ich die Forsythie nach der Neugestaltung zweimal ausgestellt. Sie war jedes Mal ein großes Gesprächsthema. Die Leute rätselten, woraus dieser Stamm gemacht ist. Das war auch für uns sehr spannend, wenn Leute fragten, wie man bloß Glas so geformt bekommt, dass man es in einen Baum einpassen kann.
Es war bisher also immer ein Rätsel, was dieser Stamm ist und woraus er gefertigt wurde.
Dann konnte man feststellen ,dass dieser Baum die Leute sehr polarisiert. Ein Teil ist sehr begeistert und lässt sich von dem geheimnisvollen Aussehen verzaubern, während andere die Forsythie ablehnen und überhaupt Schwierigkeiten haben einer solchen Gestaltung Verständnis entgegen zu bringen.
Dazu möchte ich die Bewertung bei den NRW-Bonsai-Tagen als Beispiel nennen. Diese Forsythie habe ich bis vor der Neugestaltung zweimal bei den NRW-Bonsai-Tagen ausgestellt. Beide Male bekam ich einen Preis der Jury. Nun wollte ich gerade dort das Bäumchen in seiner neuen Gestalt erstmalig präsentieren. Die Enttäuschung war groß, wir wurden mit 30 Punkten Abzug, zur letzten Bewertung, geradezu abgestraft.
Bitte verstehen Sie dies nicht als Kritik an unseren Bewertern, sie haben ihren Job nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Es zeigt nur, wie sehr der Baum nun polarisiert.
Im Forum des internationalen “Internet Bonsai Club” zeigte ich den Baum dann auch noch. Dort waren die Reaktionen sehr positiv. Auf einer anderen Ausstellung hatte Walter Pall eine Baumbesprechung gemacht. Dort besprach er auch diese Forsythie. Im “Internet Bonsai Club” schrieb er dazu:
“In my public tree critique I said that this reverse tanuki will go into bonsai history. I said that it is not only extremely interesting but also a good looking bonsai by now. With the stand that Reiner made I could see it on the Gingko Award if it passes the judges. If I were the judge, I would take it..”
Ob nun Kunst oder nicht, Bonsai oder nicht, muss jeder für sich selber entscheiden. Eine weitere Gestaltung wie diese werden wir nicht mehr machen. Diese Forsythie soll einzigartig bleiben. Mag auch jeder anders darüber denken, hat sich trotzdem die Arbeit an dieser Forsythie gelohnt. Sie bringt die Menschen ins Gespräch und das ist ein Ziel, welches wir erreichen wollten.



Herbstfarben. Auch das passt hervorragend zur Farbe der Schale.
Diese Aufnahme ist auch das Titelbild der Zeitschrift "Bonsai" Ausgabe 123.



Klicken Sie bitte ind Bild und schauen es sich vergrößert an. Hierbei handelt es sich um eine HDR-Aufnahme. Eine Fotografiertechnik die aus drei Einzelbildern besteht und aus jedem Bild werden die Bereiche mit der besten Zeichnung verrechnet und in die Komposition eingefügt.


Die Forsythie auf einem Tischchen. dass ich für Ausstellungen gebaut habe. Auch hier können Sie durch Klicken ins Bild eine größere Ansicht bekommen.

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